C. Narkose und Eingriffe bei KampfstoffverletztenE. Ärztliche Grundsätze für die Versorgung von Kampfstoffverletzten
Kampfstoffverletzungen
D. Schädigung der Lebensmittel durch chemische
Kampfstoffe

174.

Bei Beurteilung von Lebensmitteln, die mit chemischen Kampfstoffen in Berührung gekommen sind, ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen der Vergiftung als sol-cher (Art und Grad der Vergiftung) und der Beeinträchtigung der Verwertbarkeit durch Geruchs- und Geschmacksabweichung. Lebensmittel können nach der Entgif-tung zwar vollkommen unschädlich für die Gesundheit, wegen des unangenehmen Geruchs und Geschmacks aber doch ungenießbar sein.

175.

Mit einer die weitere Verwertbarkeit beeinträchtigenden oder ausschließenden Ver-giftung von Lebensmitteln ist hauptsächlich bei Einwirkung von Kampfstoffen der Lost-Lewisit-Gruppe, unter Umständen auch der arsenhaltigen Nasen- und Rachen-reizstoffe, weniger bei Einwirkung von Kampfstoffen der Phosgengruppe und von Au-genreizstoffen zu rechnen.

176.

Während Luftkampfstoffe Schäden (Geruchs- oder Geschmacksabweichung) anrich-ten können, die nach Durchlüftung meist wieder verschwinden, kann Einwirkung von festen oder flüssigen Kampfstoffen die Vorräte unbrauchbar machen. In diesem Falle sind Entgiftungsmaßnahmen grundsätzlich möglich, doch in ihrer Durchführung stets schwierig und in ihrem Erfolg zweifelhaft.

177.

Die Einwirkung chemischer Kampfstoffe auf Lebensmittel läßt sich durch geeignete Schutzmaßnahmen leicht verhindern.

178.

Völlig geschützt gegen Einwirkung von Kampfstoffen aller Art sind Lebensmittel in geschlossenen Räumen mit gut schließenden Türen und Fenstern in Konservenpack-ungen aus Blech, in Feldküchen mit geschlossenen Deckeln und in dichtverschlos-senen Essenträgern. Kampfstoffsicher sind ferner fugenlos, innen mit Ölpapier aus-geschlagene Kisten und besonders gekennzeichnete Spezialverpackungsmaterialen. Weitgehend kampfstoffsicher gegen dampfförmige Reizkampfstoffe und Kampfstoffe der Phosgengruppe sind allseitige Umhüllungen aus wetterfesten Transportfolien, kaschierten Metallfolien und Pergamentpapier. Diese Verpackungsstoffe bieten ge-genüber dampfförmigen und flüssigen Kampfstoffen der Lostgruppe einen zeitlich be-grenzten Schutz. Allseitiges Umhüllen mit mehrfachen Lagen von Zeitungs- und Packpapier schützt gegen flüssige Kampfstoffe Kurze Zeit.

 

Behälter (Feldküchen, Essenträger, Konservenbüchsen und Kisten) sind erforderli-chenfalls vor dem Öffnen mit entgiftenden Lösungen oder Aufschlämmungen abzu-waschen und möglichst mit Wasser nachzuspülen. Auf den persönlichen Schutz ist zu achten.

179.

Bei der Lagerung im Freien und bei der Beförderung unverpackter Lebensmittel auf Fahrzeugen kann ein zeitlich begrenzter Schutz durch Abdecken erzielt werden; dabei sind nicht lostsicher verpackte Lebensmittel unten zu lagern oder zu beför-dern und durch gut verpackte zu bedecken.

 

Zur Bedeckung eignen sich am besten stark gummierte Planen; behelfsmäßig können auch andere Planen, dachziegelartig geschichtete Bretter oder Dachpappe, notfalls auch Ölpapier und dicke Lagen von Zeitungs- oder Packpapier verwendet werden. Hinreichender Schutz läßt sich durch Abdecken mit 20 cm starken Schichten von Stroh, Tannen- oder Laubreisig mit dünnem Erdbewurf oder durch Abdecken mit 15 cm dicker Erdschicht erzielen; im Winter kann auch Schnee verwendet werden. Wesentlich ist, daß das Abdeckungsmaterial nicht unmittelbar auf den Lebensmitteln aufliegt, vielmehr muß sich unter dem Abdeckungsmaterial, besonders wenn es sich um leicht durchlässige Stoffe handelt, eine etwa 10 cm hohe Schicht von Heu, Stroh, Reisig oder dergl. befinden. Selbstverständlich muß nach Beendigung des Gasangriffes das Abdeckungsmaterial möglichst bald entfernt und durch neues er-setzt werden, da flüssige Kampfstoffe alle Papier- und Pappearten nach einiger Zeit durchdringen.

180.

Bei Luftkampfstoffen erübrigen sich im allgemeinen besondere Entgiftungsmaßnah-men (vergl. Ziff. 176). Nur bei besonders empfindlichen Waren, Tabakerzeugnisssen, Kaffee, Tee ist mit bleibender Geschmacksbeeinträchtigung zu rechnen. Einwirkung von dampfförmigem Lost und Stickstofflost auf Fette führt ebenfalls zu einer Vergif-tung der Lebensmittel, die sich durch Lüften nicht wieder beseitigen läßt; in diesem Fall führt nur Ausbraten zu einer Wiederverwendbarkeit.

 

Die bei der Wasserzersetzung von Kampfstoffen (insbesonders Phosgen und Per-stoff) entstehenden Salzsäuremengen sind so geringfügig, daß dadurch Lebensmittel oder Wasser nicht gesundheitsschädlich werden können.

181.

Arsenhaltige Kampfstoffe können gefährlich werden, wenn sie fest oder flüssig in Lebensmittel eindringen. Eine Entgiftung durch Kochen kommt nicht in Betracht, weil hierdurch das Arsen nicht entfernt wird. Soweit Abtragen oberflächlicher Schichten möglich ist, ist entsprechend zu verfahren.

182.

Die äußeren Schichten von Lebensmitteln, die mit flüssigen Anteilen von Kampfstof-fen der Lostgruppe in Berührung gekommen sind, müssen vorsichtig abgehoben und vernichtet werden. Über Kampfstoffgehalt und Gesundheitsschädlichkeit der darun-ter liegenden Schichten können nur die chemische Untersuchung und biologische Prüfung entscheiden.

 

Bei Verdacht einer Kampfstoffeinwirkung und der Unmöglichkeit, eine Untersuchung durchzuführen, werden die verdächtigen Stellen ½ bis 2 Stunden in offenen Gefäs-sen bei mehrfachem Wasserwechsel gekocht. Durch dieses Kochen wird natürlich der Nährwert und Geschmack der Nahrungsmittel mehr oder weniger stark beein-trächtigt, unter Umständen bis zur Unbrauchbarkeit für den menschlichen Genuß. Da die Kochdämpfe gifitg sein können, ist der eigene Schutz zu beachten.

 

Durch Stickstofflost vergiftete Lebensmittel lassen sich bei der Truppe kaum entgif-ten und müssen gegebenenfalls vernichtet werden.

183.

Gelangt flüssiger Kampfstoff auf eingesacktes Mehl, so wird der vergiftete Mehlsack 20 Minuten unter klares Wasser gedrückt, wobei sich in der inneren Sackwand eine etwa 1 cm starke Schicht aus verkleistertem Mehl bildet. Nach etwa 24 – 48 Stun-den wird das Mehl ausgeschüttet, wobei das verkleisterte zusammen mit etwa ver-giftetem an der Sackwand haften bleibt. Um etwa mit ausgeschütete, verkleisterte Klumpen abzutrennen, wird das Mehl durchgesiebt und kann vermischt mit der dop-pelten Menge einwandfreien Mehles verwendet werden.

 

Der Sack ist nach der Entleerung umzukrempeln und von anhaftenden Resten von Mehlkleister und Klumpen zu befreien. Nach Spülung in viel kaltem Wasser (bis zum Klarbleiben des Spülwassers) und nachfolgendem 30 Minuten langem Auskochen ist er wieder gebrauchsfähig.

 

Das Sieb ist mit viel Wasser gründlich auszuscheuern. Nach dem Trocknen ist es wieder verwendungsfähig.

184.

Bei mit flüssigen Kampfstoffen vergiftetem Brot ist die Rinde abzutragen und zu ver-nichten. Die Brotkrume kann durch längeres Kochen entgiftet werden.

185.

Mit flüssigem Kampfstoff vergiftete Kartoffeln sind mit viel Wasser zu waschen und unter mehrfachem Wasserwechsel ungeschält mindestens 30 Minuten zu kochen.

186.

Vergiftete frische Gemüse, Gurken, Salat, Kohlarten und Zwiebeln sind unschädlich zu beseitigen.

187.

Mit flüssigen Kampfstoffen vergiftetes rohes Fleisch wird mit viel Wasser abgespült. Nach Abtragung der obersten Schichten in mindestens 2 cm Stärke ist das Fleisch bis zur Graufärbung auch der innersten Schichten bei mehrfachem Wasserwechsel zu kochen.

188.

Brüh- und Kochwürste sind unter mehrfachem Wasserwechsel nochmals zu kochen. Dioe Wursthüllen sind für den menschlichen Genuß unbrauchbar. Dieselbe Behand-lung müssen Dauerwürste in Kunstdärmen (z.B. in Transparentfolien) erfahren.

189.

Kampfstoffvergiftete Fett- und Magerfische sind für die menschliche Ernährung in jedem Falle ungeeignet.

190.

Fette (Butter, Magaringe, Schmalz) sind auch nach dem Abtragen der äußeren Schicht (5 cm) nur zum Kochen, Braten und Backen zu verwenden.

191.

Eier, die durch chemische Kampfstoffe vergiftet wurden, können durch einstündiges Einlegen in Chlorkalk- oder Losantinbrei unter nachträglichem Spülen entgiftet wer-den.

192.

Wasser darf nach Gasangriffen nicht aus Geschoßtrichtern, stehenden Gewässern (Tümpeln und Teichen) entnommen werden. Für Trinkzwecke ist Wasser aus flies-senden Gewässern, und zwar möglichst an Stelle der stärksten Strömung zu ent-nehmen.

 

Kampfstoffvergiftetes Wasser wird durch das eingeführte "Kampfstoff-Wasserfilter" entgiftet, dem eine Bedienungsvorschrift beiliegt. Steht das Kampfstoff-Wasserfilter nicht zur Verfügung, so ist kampfstoffverdächtiges Wasser vor dem Genuß 10 – 20 Minuten zu kochen. Man kann auch das Wasser in Behältern mindestens eine Stun-de lang stehen lassen und es im oberen Teil mehrfach umrühren; für Trinkzwecke sind die oberen 2/3 in den Behältern meist verwertbar. Vorsichtige Entnahme ! Ent-hält das Wasser arsenhaltige Kampfstoffe, so wird es durch diese Behelfsmaßnah-men nicht entgiftet, sich vielmehr durch beißenden Geschmack schon bei der ersten Berührung zu erkennen geben; in diesem Falle ist nur mit dem Kampfstoff-Wasserfil-ter trinkbares Wasser zu erhalten.

193.

Durch chemische Kampfstoffe vergiftete Milch ist auch nach längerem Kochen als menschliches Nahrungsmittel nicht verwertbar.

194.

Ist die vom Mann mitgeführte Tagesverpflegung kampfstoffvergiftet, so ist sie mit Ausnahme der Lebensmittel, die luftdicht in Büchsen verpackt sind, als ungenießbar anzusehen.

 

Sind größere Vorräte von Lebensmitteln vergiftet oder ist ihre Genußfähigkeit infolge Anwendung chemischer Kampfstoffe zweifelhaft, so sind ausreichende Proben vor allem aus den oberen Schichten zu entnehmen und der nächsten Untersuchungs-stelle zur Prüfung schnellstens zuzuleiten. (Über Zuständigkeit der Sachverstän-digen und die in Frage kommenden Untersuchungsstellen vergl. H.Dv. 395/1 Ziff. 161.)

C. Narkose und Eingriffe bei KampfstoffverletztenE. Ärztliche Grundsätze für die Versorgung von Kampfstoffverletzten