E. Ärztliche Grundsätze für die Versorgung von KampfstoffverletztenG. Übersicht über die Wirkung der chemischen Kampfstoffe und sonstiger schädliche Stoffe auf den Menschen sowie Behandlung der dadurch hervorgerufenen Schädigungen
Kampfstoffverletzungen
F. Behelfsmäßiges Entgiften von Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenständen und Geräten

(nach H.Dv. 395/11 b Ziff. 8 – 10, 62, 65 – 68, 72, 73c; hier weitere Angaben).

I. Allgemeines

211.

Können vergiftete Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände abgelegt, aber nicht den Truppenentgiftungskompanien zugeführt werden, so können sie, wenn keine Ersatzstücke zur Verfügung stehen, in Ausnahmefällen von der Truppe selbst be-helfsmäßig wie folgt entgiftet werden. Dabei ist zu beachten und zu berücksichti-gen, daß diese Entgiftung vielfach nur grobe Beschädigungen der Haut verhindert.

212.

Das Entgiften soll sobald wie möglich vorgenommen werden, damit der Kampfstoff nicht tiefer in den vergifteten Gegenstand eindringt, was das Entgiften erschwert. Insbesondere sollen Gegenstände, wie z.B. gefettetes Leder, Gummi, Farb- und Lackanstrich, die den Kampfstoff nur allmählich aufnehmen, beschleunigt entgiftet oder wenigstens vorgereinigt werden.

213.

Das "Vorreinigen" richtet sich nach der Art der Vergiftung sowie nach der Art des zu entgiftenden Gegenstandes.

 

Das Vorreinigen geschieht durch:

  a)

Abkratzen von Kampfstoffkrusten, z.B. mit Holzspatel (Holzspatel nachher ver-brennen !).

  b)

Abspritzen oder Abspülen mit Wasser. Ablaufendes Wasser ist vergiftet ! Ab-tupfen mit Tupfern, die mit Kraftstoff benetzt sind.

  c)

Aufsaugen des Kampfstoffes mit saugfähigem Material (z.B. Zellwatte, Torfmull, trockenem Sand, Erde und dergl.).

  d)

Kapmfstoffe in Form von mehr oder weniger zähen klebrigen Schmieren sind mit trockenem Losantin zu bestreuen und zu verreiben, daß sie eine leicht entfern-bare krümelige Masse bilden.

    Gebrauchtes Material ist zu vernichten !
    Das Vorreinigen erleichtert wesentlich die nachfolgende Entgiftung.
214.

Beim Vorreinigen und (behelfsmäßigen) Entgiften sind besondere Schutzmaßnahmen notwendig.

  a)

Am zweckmäßigsten ist die Gaskittelbekleidung, es kann aber auch die leichte Schutzbekleidung, die nicht entgiftet werden kann, angelegt werden. Notfalls ist beim Entgiften eine Gummischürze oder die Gasplane oder ein Sack vorzubin-den.

  b)

Gashandschuhe sind anzulegen, notfalls bietet vorheriges gründliches Einreiben mit Hautentgiftungssalbe einen gewissen Schutz (jedoch nicht gegenüber wäß-rigen gifthaltigen Lösungen !). Nach der Durchführung des Vorreinigens oder Entgiftens müssen die Hände sorgfältig mit Seife oder hautschonenden Reini-gungsmitteln mit 5% Chloraminzusatz gereinigt werden.

  c)

Das Entgiften wird in der Regel im Freien oder an einem Ort (z.B. offene Scheu-ne) vorgenommen, der dem freien Luftzug ausgesetzt ist, sodaß die abziehende kampfstoffhaltige Luft nicht eingeatmet wird. Andernfalls muß die Gasmaske aufgesetzt werden.

II. Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände aus Gewebe
215.

Das Entgiften wird auf folgende Weise vorgenommen:

  a)

Mit Wasser und Seife.

   

Die durch den Augenschein als vergiftet erkannten Stellen an den Gegenstän-den werden mit Seife eingerieben. Dann wird der Gegenstand mit warmer, gut schäumender Seifenlauge kräftig abgebürstet. Je härter das Wasser ist, um so mehr Seife muß genommen werden; in der Regel genügen 10 g Seife auf 1 Liter Wasser. Dann werden die Gegenstände in die warme Seifenlauge vier Stunden lang eingelegt und jede Stunde einmal durchgewaschen. Während des Trock-nens, das im Sommer etwa 24, im Winter etwa 48 Stunden dauert, wird die Entgiftung praktisch vollständig. An Stelle von Seife (auch MS-Seife) können die hautschonenden Reinigungsmittel (Satina oder Praecutan) verwendet wer-den. Gegenstände, die das Auskochen vertragen, wie z.B. Unterwäsche, kön-nen auch durch einstündiges Auskochen entgiftet werden. Vorsicht ! der abzie-hende Dampf ist in den ersten zehn Minuten kampfstoffhaltig !

  b)

Mit Kraftstoff (Benzin), (für gummihaltige Gegenstände ungeeignet).

   

Die Gegenstände werden in den Kraftstoff eingetaucht und zehn Minuten darin (z.B. mit einem Spatenstiel) geknetet, damit der Kampfstoff sich in dem Kraft-stoff auflösen kann. Dann werden die Gegenstände kräftig ausgewunden und im Freien möglichst 24 Stunden gelüftet, wobei sich noch letzte Kampfstoffreste mit verflüchtigten. Besser ist es, den ausgewundenen Gegenstand in frischen Kraftstoff einzulegen und erneut zehn Minuten darin zu kneten. Nach kräftigem Ausdrücken und kurzem Trockenen (eine Stunde) ist er wieder verwendungs-fähig.

   

Ist das Kleidungsstück mit Sicherheit nur an wenigen einzelnen Stellen vergif-tet, genügt es, wenn man die betreffende Stelle so zusammenfaltet, daß man den Treibstoff wie durch ein Sieb durchlaufen lassen kann. (Vergiftete Stellen am Boden des Beutels, Treibstoff vom Rande her eingießen.)

  c)

Mit dem Waffenentgiftungsmittel. Einzelne vergiftete Stellen an Kleidungsstük-ken können notfalls durch Auftragen von Waffenentgiftungsmittel entgiftet werden. Das Auftragen geschieht zunächst vom Rand aus und dann in der Mit-te; das Gewebe soll vollständig durchfeuchtet werden.

   

Mit Beschädigungen des Gewebes ist zu rechnen; diese können durch nach-trägliches Spülen mit Benzin vermindert werden.

  d)

Mit Losantin oder Chlorkalk. Einzelne vergiftete Stellen können auch durch Auf-tragen eines dünnen Breies aus Entgiftungsstoff (Losantin) oder Chlorkalk mit Wasser entgiftet werden. Der Brei muß das Gewebe vollständig durchfeuchten. Nach fünf Minuten Einwirkung ist er zu entfernen.

   

Mit Beschädigungen des Gewebes muß gerechnet werden. Diese werden ver-mindert, wenn man den Entgiftungsstoff usw. durch Spülen mit Wasser restlos entfernt.

  e)

Durch Ausschneiden. Notfalls können kleine vergiftete Gewebestellen auch durch Ausschneiden entfernt werden. Davon darf aber nur im äußersten Notfall gebrauch gemacht werden.

III. Leder und Kunstleder
216.

Ledersachen, wie z.B. Koppel, Riemen und dergl., werden entgiftet durch kräftiges Abscheuern mit der Entgiftungsflüssigkeit (Dauer etwa 20 Minuten). Entgiftungsflüs-sigkeit: 1 Spaten Losantin oder Chlorkalk in einem Eimer Wasser.

 

Besser wirkt das Einreiben eines Entgiftungsbreies Losantin: Wasser = 1 : 1. (Dauer 20 Minuten.) Der Entgiftungsstoff (Losantin oder Chlorkalk) ist durch Abspülen mit Wasser wieder restlos zu entfernen. Dann werden die sorgfältig getrockneten Ge-genstände wiede eingefettet.

217.

Vergiftete Stiefel können von der Truppe bei ausreichender Zeit mit guter Wirkung wie folgt entgiftet werden: Zunächst sind die Stiefel durch Abscheuern mit Wasser und Seife äußerlich von anhaftender Stiefelwichse zu reinigen. Dann werden sie in 40 – 45° warmen Wasser 24 Stunden lang eingelegt; wobei das Wasser dauernd warm bleiben muß. Die Stiefel werden dann im Sommer 24 Stunden, im Winter 48 Stunden getrocknet, wobei sie mit Papier ausgestopft werden, das häufig zu er-neuern ist. Das Trocknen am Ofen ist verboten, da die Stiefel nur beim langsamen Trocknen weich bleiben.

 

Die getrockneten Stiefel werden eingefettet und kräftig geknetet.

IV. Gasmasken
218.

Gasmasken werden in der Regel durch die Truppenentgiftungskompanien entgiftet.

 

Können sie abgelegt, aber nicht der Truppenentgiftungskompanie zugeführt werden, so können sie behelfsmäßig entgiftet werden.

 

GM. 24 (Schlauchmaske, noch bei Sonderheinheiten im Gebrauch) und GM. 30.

  a)

Auf die vergiftete Stelle wird das Waffenentgiftungsmittel aufgetragen, wobei das Gewebe damit stark durchfeuchtet werden soll.

  b)

An Stelle des Waffenentgiftungsmittels kann auf die vergiftete Stelle auch ein dicker Brei aus Losantin oder Chlorkalk mit Wasser aufgetragen und auf dem Gewebe verrieben werden. Nach zehn Minuten Einwirkungsdauer ist der Brei durch Spülen mit viel Wasser restlos zu entfernen.

  c)

Der Kampfstoff kann durch Abtupfen mit Tupfern oder Lappen, die mit Kraftstoff (Benzin) getränkt sind, zum Teil entfernt werden. Die vergiftete Stelle ist wie-derholt mit frisch getränkten Tupfern oder Lappen abzutupfen, bis der Geruch nach Kampfstoff verschwunden ist. Dieses Verfahren ist ein Notbehelf und gibt keine Gewähr für vollständige Entgiftung.

   

Ist der Kampfstoff auf den ledernen Dichtrahmen gelangt, so ist dieser umzu-krempeln und wiederholt in Kraftstoff einzutauchen. Da Gummi ganz besonders an den Klebestellen von Benzin angegriffen wird, muß eine längere Berührung mit Benzin vermieden werden.

 

Durch das behelfsmäßige Entgiften treten an der Gasmaske leicht Beschädigungen auf. Die Gasmasken sind daher so bald wie möglich umzutauschen. Bis zum Um-tausch sind sie unverpackt zu tragen.

219. Gm. 38 (Vollgummimaske).
  a)

Die Gasmaske 38 kann in der gleichen Weise wie die Gm. 30 mit dem Waffen-entgiftungsmittel entgiftet werden; dieses ist auf die vergiftete Stelle aufzu-tragen und nach einer Minute Einwirkungszeit wieder abzuwischen.

  b)

Entgiftung mit Losantin und Chlorkalk wie Ziff. 218b.

  c)

Gasmasken 38 können auch durch zweistündiges Auskochen entgiftet werden. Ausatemventile und Klarscheiben sind vorher zu entfernen. Durch das Ausko-chen getrübte Augenscheiben sind durch neue zu ersetzen. Hierzu dient die Einkrampvorrichtung beim Satz Gasschutzvorrat. Das Ausatemventil wird durch Abspülen mit Kraftstoff (Benzin) entgiftet.

220.

Können die Gasmasken z.B. während einer Kampfhandlung, bei der auch Luftkampf-stoff eingesetzt werden, nicht abgesetzt werden, so müssen sie nach Ziff. 218 oder 219 entgiftet werden, wobei sich zwei Mann gegenseitig helfen.

 

Nach dem Absetzen sind die Gasmasken sofort von anhaftendem Entgiftungsstoff, z.B. durch Abspülen mit Wasser, restlos zu säubern. Sie sind dann unverpackt zu tragen.

V. Krankentragen und Zeltbahnen
221.

Zur Entgiftung wird die Krankentrage usw. in unvergiftetem Gelände aufgestellt und sorgfältig mit Entgiftungsflüssigkeit (1 Spaten Losantin auf 1 Eimer Wasser) abge-scheuert (Zeitbedarf etwa 40 Minuten). Unmittelbar anschließend ist die Trage mit viel Wasser, am besten durch Einlegen oder Einhängen in fließendes Wasser, so ab-zuspülen, daß der Entgiftungsstoff restlos entfernt wird. Dann ist sie an der Luft zu trocknen.

 

Nach dem Trocknen ist durch die Geruchsprobe besonders an den Nähten festzu-stellen, ob die Trage noch Reste von Kampfstoff oder Entgiftungsstoff enthält. Ge-gebenenfalls ist das Entgiften oder Spülen an einigen Stellen zu wiederholen.

 

Zeltbahnen werden sinngemäß entgiftet.

VI. Entgiften durch Lüften
222.

Durch vieltägiges Aufhängen in Sonne und Wind lassen sich Bekleidungs- und Aus-rüstungsgegenstände durch Lüften entgiften (Einzelheit vergl. H.Dv. 395/11b.)

E. Ärztliche Grundsätze für die Versorgung von KampfstoffverletztenG. Übersicht über die Wirkung der chemischen Kampfstoffe und sonstiger schädliche Stoffe auf den Menschen sowie Behandlung der dadurch hervorgerufenen Schädigungen