II. Leiten und Beaufsichtigen von Munitionsarbeiten, Einteilen der ArbeitskräfteInhaltsverzeichnis
Munitionsbehandlung - Teil 1 - Allgemeine Sicherheitsbestimmungen bei Munitionsarbeiten
I. Allgemeines

1. Die Bestimmungen in dieser Vorschrift gelten allgemein für alle Munitionsarbeiten, ganz gleich, wo sie ausgeführt werden, und ob in den einschlägigen Munitionsvorschriften ein besonderer Hinweis auf diese Vorschrift gegeben ist oder nicht.

2. Soweit bei einzelnen Munitionsarbeiten noch besondere Vorsichtsmaßnahmen zu be-achten sind, ist auf diese in den einschlägigen Vorschriften und Fertigungsunterlagen be-sonders hingewiesen, oder sie sind durch die vorgeschriebene Rei-henfolge der einzelnen Arbeitsgänge zwangsläufig gegeben.

3. Da Wirkung und Sicherheit der Munition ganz wesentlich vom vorschriftsmäßigen An-fertigen abhängen, sind alle Munitionsarbeiten stets nach den Vorschriften und mit größ-ter Sorgfalt auszuführen. Im Bedarfsfalle sind fehlende Vorschriften beim R.L.M.–Nach-schubamt– rechtzeitig anzufordern.

4. Bei der Arbeit auftretenden Zweifel und Unklarheiten sind sofort dem R.L.M.–Nach-schubamt– zu melden, damit von hier aus Klarstellung erfolgen kann.

5. Dem Dienststellenleiter sind bei Beginn jeder neuen Fertigungsarbeit Probestücke zur Begutachtung auf richtige und vorschriftsmäßige Fertigung vorzulegen. Er hat sich außer-dem zu Beginn und während der Fertigungs- und Zerlegearbeiten, bei Wiederherstellung und Untersuchung laufend von der den Vorschriften entsprechenden Arbeitsweise per-sönlich zu überzeugen.

6. Als Munitionsarbeiten gelten:
a)

das Anfertigen, Füllen, Zerlegen, Wiederherstellen, Untersuchen, Verpacken, Lagern und Verladen von

  scharfer Munition
  Übungsmunition
  Exerziermunition
b) das Reinigen und Untersuchen von Patronenhülsen,
c) das Vernichten von Munition und Munitionsteilen

7. Pulver und Sprengstoffe, Brand- und Zündsätze sind durch Feuer und Funken leicht entzündbar, zum Teil auch durch Schlag, Stoß oder Reibung. Begünstigt wird das Entzün-den dadurch, daß derartige Stoffe in loser Form vielfach Staub absetzen, der wegen sei-ner erhöhten Entzündbarkeit das Übertragen des Feuers wesentlich beschleunigt.

8. Verschiedene Pulver- und Sprengstoffarten wirken infolge ihrer Giftigkeit schädlich auf den menschlichen Organismus. Soweit wie möglich sind sei bereits durch andere, weniger gefährliche Stoffe ersetzt worden.

Lose Granatfüllung 88 wirkt z.B. nachteilig auf die Schleimhäute, Trinitroanisol und Hexa-nitrosdiphenylamin verursachen Hautausschläge, Dinitrobenzol und Amatol 39 schädigen, als Staub oder Dampf eingeatmet, die Atmungsorgane und verursachen außerdem noch Hautausschläge, Aluminiumstaub, insbesondere Aluminium-Pyroschliff, kann gefährliche Erkrankungen des Lungengewebes hervorrufen.

Granatfüllung 88 wird z.Z. nur noch bei der Fertigung von Zündladungen und Übertra-gungsladungen durch die Industrie verwendet. Die Verarbeitung in losem Zustand kommt bei Luftwaffendienststellen im allgemeinen nicht in Frage.

Trinitroanisol, Dinitrobenzol und Amatol 39 werden als Bestandteile von Sprengstoffmi-schungen zu Geschoß- und Bombenfüllungen verwendet. Sie können daher als solche in den luftwaffeneingenen Füllanlagen vorkommen.

9. Die Entzündbarkeit von Sprengstoffen und Zündsätzen wird wesentlich erhöht, wenn die ?namentlich in feuchtem Zustand, mit anderen Stoffen Verbindungen eingehen.

Granatfüllung 88 und Trinitroanisol bilden mit Metallen, Metalloxyden und Salzen sehr ex-plosive Verbindungen (Pikrate), die durch Funken, Schlag, Stoß und Reibung äußerst leicht entzündlich, sind.

Nitropenta, ein hochbrisanter und daher hauptsächlich in phlegmatisierter Form zu Sprengladungen verarbeiteter Sprengstoff, darf vor allem nicht mit Säuren in Berührung kommen.

10. Außerordentlich leicht entzündbar ist Aluminium-Pyroschliff, welcher verschiedenen Sprengstoffen zur Erhöhung der Verbrennungstemperatur und zur Verstärkung der Deto-nationsdruckwelle beigemischt wird. Bemerkenswert hierbei ist, daß die Entzündung nicht nur von außen her, sondern vor allem auch durch innere chemische Umsetzung erfolgen kann. Aluminium-Pyroschliff überzieht schon bei gewöhnlicher Temperatur und Luftfeuch-tigkeit mit einer Oxydschicht und erwärmt sich dabei. Wird die entstehende Wärme ange-staut, so findet nicht nur eine weitere Temperaturerhöhung satt, sondern gleichzeitig auch eine stärkere Oxydation, die schließlich zur weiteren Erwärmung und damit zur Selbstentzündung führen kann. Feuchtigkeitseinwirkung und vermehrte Luftzufuhr be-schleunigen die Oxydation von Aluminium-Pyroschliff und begünstigen die Selbstentzün-dung in erhöhtem Maße.

Besonders gefährlich sind daher Mischungen von Sprengstoffen mit Aluminium-Pyroschliff.

11. Zündungen, wie Zündhütchen, Zündschrauben, Sprengkapseln und Zündladungen, erfordern erhöhte Vorsicht, wenn sie mit Pulver oder Sprengstoffen in Verbindung ge-bracht werden oder mit diesen Stoffen zur Verarbeitung kommen.

12. Aus Gründen der Sicherheit ist es streng verboten, scharfe und unscharfe Munition oder Munitionsteile als Handwerkszeug zu benutzen.

13. Bei allen Arbeiten, bei denen Pulver, Sprengstoffe, Brand- und Zündsätze in losem Zustand oder Munitionsteile, die solche Stoffe enthalten oder enthalten haben, zur An-wendung kommen, ist besonders vorsichtig zu verfahren, um Leben und Gesundheit von Personen vor Gefahren zu schützen und Sachschaden zu vermeiden. Insbesondere müs-sen die Aufsichtsführenden vor Beginn einer Munitionsarbeit über Eigenschaften und Ei-genarten der zur Verarbeitung kommenden Stoffe genauestens an Hand der einschlägigen Munitionsvorschriften unterrichten und die erforderlichen Schutzmaßnahmen vorbereiten und anordnen.

14. Alle Sicherheitsmaßnahmen sollen die Ursache für ungewollte Entzündungen der Muni-tion und Munitionsteile sowie gesundheitsschädliche Einflüsse der zu verarbeitenden Stof-fe fernhalten bzw. die Wirkung bei Unglücksfällen durch geeignete Maßnahmen, z.B. Er-richtung von Schutzwänden, Beschränken der Zahl der Arbeitskräfte und der Munitions-menge auf den einzelnen Arbeitsstellen, in ihrem Ausmaß möglichst abschwächen.

15. Strengtes Befolgen aller vorgeschriebenen Sicherheitsbestimmungen ist jedem bei Munitionsarbeiten Beschäftigten grundsätzlich zur Pflicht zu machen.

16. Erfahrungsgemäß treten Unfälle erst bei länger währenden Arbeiten ein. Die Ursache dafür ist, daß den mit ihrer Tätigkeit vertrauten Arbeitskräften zu weitgehende Selbstän-digkeit gewährt wird und Vergehen gegen die Sicherheitsbestimmungen aus Sorglosigkeit und Leichtsinnigkeit nicht genügend streng geahndet werden.

17. Auf gleichbleibenden Fleiß während der Arbeit ist um so mehr zu achten, als mit sei-nem Nachlassen erfahrungsgemäß Unaufmerksamkeit und Vergehen gegen die Vorschrif-ten häufiger auftreten.

18. Es ist jedoch falsch, durch Überhasten bei der Arbeit oder durch ungerechtfertigtes Antreiben der Arbeitskräfte größere Arbeitsleistungen erreichen zu wollen. Aus diesem Grunde ist es verboten, das Verlassen der Arbeitsstellen zu den Pausen und zum Arbeits-schluß oder Vergünstigungen irgendwelcher Art vom Erreichen einer bestimmten Arbeits-leistung abhängig zu machen oder Stücklohnarbeiten (Akkordarbeiten) verrichten zu las-sen.

19. Nur durch ständige Aufmerksamkeit der Aufsichtspersonen, dauernde Überwachung aller bei Munitionsarbeiten Beschäftigten und ständig sich wiederholende Belehrung durch den Aufsichtsführenden ist die richtige Durchführung jeder Munitionsarbeit und die größt-mögliche Sicherheit gewährleistet.

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