A. KampfstoffeII. Lungenschädigende Kampfstoffe
Kampfstoffverletzungen
A. Kampfstoffe
I. Reizkampfstoffe

a) Augenreistoffe (tränenerregende Kampfstoffe).

1. Chemische Angaben

6. Die Hauptvertreter dieser Kampfstoffgruppe sind:

  Chloraceton CH3 CO CH2 Cl
  Jodaceton CH3 CO CH2 J
  Brommethyläthylketon, Bn-Stoff CH2 Br CO C2 H5
  Bromessigsäureäthylester CH2 Br COOC2 H5
  Jodessigsäureäthylester CH2 J COOC2 H5
  Benzylbromid C6 H5 CH2 Br
  Xylylbromid, T-Stoff CH3 C6 H4 CH2 Br
  u.a.m.  
  Diese Stoffe sind flüssig.

2. Wirkung

7. a)

Unter feldmäßigen Bedingungen sofort starker Reiz auf die Augenbindehaut, heftiger Tränenfluß, krampfartiger Lidschluß. Vorübergehend Behinderung der Sehfähigkeit. Rasches Abklingen des Augenreizes an der frischen Luft oder un-ter gut verpaßten und richtig aufgesetzter Gasmaske.

   

Gelegentlich treten entzündliche Bindehautkatarrhe als Folgeerscheinung auf.

  b)

Bei Anwendung von Augenreizstoffen im See- oder Festungskrieg ist infolge der besonderen Verhältnisse des geschlossenen Raumes mit wesentlich höherem Kampfstoffgehalt der Luft als unter feldmäßigen Bedingungen im Freien zu rech-nen. Ohne Anlegen des Gasschutzgerätes kann es hier zu starken Augenschädi-gungen bis zur Trübung der Hornhaut, ferner auch zu Schädigungen der Atem-organe und zum akuten toxischen Lungenödem kommen. Bei hohem Kampfstoff-gehalt der Luft tritt häufig auch Hautbrennen auf.

3. Behandlung

8.

Behandlung ist nur bei länger dauernder Reizung der Bindehaut erforderlich:

 

Waschung und Spülung der Augen mit 3%igem Borwasser oder 3%iger Natriumbicar-bonatlösung. Einstreichen alkalischer Augensalbe. Augen nicht reiben! Dunkelbrille. Bei stärkerer Augenschädiung (Ziffer 7 b) Behandlung wie unter Ziff. 118; bei Lun-genschädigungen (Ziff. 7 b) wie unter Ziff. 37–64.

 

Anmerkung: Bei unsachgemäßem Umgang mit Reizkörpern, die zur Prüfung der Gas-masken im Reizraum verwendet werden, oder mit Übungsreizstoffen, die Augenreiz-stoffe enthalten, können Spritzer des Reizstoffes auf die Haut oder ins Auge kom-men. Auf der Haut entstehen dann Rötung und Blasen, am Auge starke Entzündung und Quellung der Au-genbindehaut und Hornhauttrübung. Die Blasen sehen den durch Lost verursachten Blasen oft sehr ähnlich, sie zeichnen sich aber durch Nei-gung zu rascher Abheilung aus.

 

Spritzer auf der Haut werden mit trockenem Mull entfernt oder, wenn möglich, mit einem großen Überschuß eines organischen Lösungsmittels, wie Benzin, Benzol, Al-kohol abgespült; die Hautstelle wird mit einem Borsalbenverband bedeckt.

 

Spritzer ins Auge werden sofort mit viel Wasser herausgespült; besser mit 3%igem Borwasser oder 3%iger Natriumbicarbonatlösung. Auf große Schnelligkeit dieser Maßnahmen kommt es an. Einstreichen von alkalischer Augensalbe. Bei nachfolgen-der stärkerer Augenschädigung wie unter Ziff. 118.

b) Nasen- und Rachenreizstoffe

1. Chemische Angaben.

9. Die Hauptvertreter dieser Kampfstoffgruppe sind:

2. Wirkung

10.

Die Nasen- und Rachenreizstoffe wirken vorwiegend als Schwebestoffe, die in feins-ter Verteilung als kleinste Tröpfchen oder Rauchteilchen in der Luft schweben. Sie verursachen heftigsten Reiz an den oberen Atemwegen, weniger auf die Augen. Je nach dem Kampfstoffgehalt der Luft treten die Reizerscheinungen nach einigen Se-kunden oder erst nach Minuten auf. Sie steigern sich in der Regel weiter auch nach der Entfernung aus der kampfstoffhaltigen Luft, znächst auch unter der Gasmaske ("Nachreiz"), um dann langsam abzuklingen.

3. Vergiftungsbild

11. a)

Bei durchschnittlichem, feldmäßigem Kampfstoffgehalt der Luft und kurz dau-ernder oberflächlicher Einatmung zunächst Kribbeln, dann Brennen der Nasen-schleimhaut, Niesen; Brennen im Rachen und in den Atemwegen, weniger an der Augenbindehaut. Die Reizerscheinungen verstärken sich allmählich, beson-ders in Nase und Rachen. Gesteigerte Schleimabsonderung aus Nase, Mund, Rachen und Bronchien. Starker Husten, oftmals auch Brechreiz, Übelkeit. Infol-ge Schleimhautschwellung der Nasennebenhöhlen Schmerzen in der Stirnge-gend, Kiefer- und Zahnschmerzen. Druckgefühl im Kopf und in den Ohren.

   

Bei stärkerer Einwirkung steigern sich die Reizerscheinungen bis zur Unerträg-lichkeit. Es treten Schmerzen auf der Brust dazu, Atemnot, Beklemmung und Angstgefühl, bei Einwirkung von Adamsit oft auch asthmatische Zustände. Die geschilderten Reizerscheinungen werden bereits durch geringsten Kampfstoff-gehalt der Luft hervorgerufen (Größenordnung 1 Milligramm im Kubikmeter). Bei diesem Gehalt und kurz andauernder Einatmung von etwa 1 bis 2 Minuten errei-chen die Reizerscheinungen ihren Höhepunkt nach etwa 10 bis 15 Minuten, sie klingen aber meist erst nach 1 bis 2 Stunden völlig ab.

   

Bei Einwirkung eines höheren Kampfstoffgehaltes der Luft treten stärkere und länger dauernde Reizwirkungen auf, ohne daß sich objektiv nachweisbare Schä-digungen anschließen müssen.

  b)

Durch hohen Kampfstoffgehalt der Luft können schwere Erkrankungen der Atemwege und Lungen verursacht werden (akutes, toxisches Lungenödem). Dazu kann eine Resorptionswirkung durch das aufgenommene Arsen kommen, die sich oft in entzündlichen Erkrankungen des Magen-Darmkanals äußert. Es kann auch zu Störungen des Nervensystems, Benommenheit und zum völligen Bewußtseinsverlust kommen, der zuweilen stundenlang andauert.

   

Nach widerholter Einwirkung der Nasen-Rachenreizstoffe (Arsine) kann es zu starker Abminderung des Reizes kommen. Diese Erscheinung ist am wirksams-ten, wenn die Einwirkungen nur wenige Stunden hintereinander liegen.

  c)

Auf der Haut entsteht nach der Berührung mit den festen oder flüssigen Kampf-stoffen nach wenigen Minuten Rötung bei erheblichem Juckem und Brennen. Nach einer Latenzzeit von mehreren Stunden bis Tagen kann es auch zur Aus-bildung von Bläschen, kleinen Pusteln oder knötchenartigen Verhärtungen kom-men. Auch die Bildung größerer Blasen wird beobachtet. Diese Hauterscheinun-gen sind besonders ausgesprochen bei Einwirkung von flüssigem Dick, die auch Anlaß zu schmerzhaften Nagelbettentzündungen geben kann.

   

An den Augen werden nach Einwirkung der festen oder flüssigen Kampfstoffe heftige Entzündungen der Bindehaut beobachtet.

   

Charakteristisch für die Augen- und Hautschädigung ist die Neigung zu rascher Heilung (im Gegensatz zu den Schädigungen durch Lost).

   

Die beschriebenen Haut- und Augenerscheinungen treten unter feldmäßigen Be-dingungen selten auf, sie werden häufiger bei der technischen Verarbeitung oder Durchführung von Laborierungsarbeiten und dgl. beobachtet.

4. Behandlung

12.

Die Beschwerden nach Einwirkung einer geringen Kampfstoffmenge vergehen an fri-scher Luft meist von selbst.

 

Kleiderwechsel nur, wenn der Kampfstoff nach Einwirkung eines höheren Kampfstoff-gehaltes der Luft besonders stark in der Bekleidung haftet (Gasmaske aufbehalten!). Bei sehr starken Beschwerden Einsprühen von 3%igem Borwasser oder 3%iger Natri-umbicarbonatlösung oder von mentholhalitgen Lösungen in Nase und Rachen. Vor-sichtiges Riechen an Ammoniak (Liqu. Ammonii caustici) oder Einatmen der Dämpfe eines Riechmittels aus

  Alkohol 40,0
  Chloroform 40,0
  Äther 15,0
  Ammoniak 5,0
 

Die zur Truppenausstattung vorgesehenen Riechröhrchen enthalten dieses Gemisch in mullumwickelten Ampullen, die vor Gebrauch zu zerbrechen sind ("Brechampul-len").

 

Trinken von warmen Tee, besser von warmer Milch. Gegen Kopfschmerz Mittel wie Dimethylaminophenazon oder Tabl. anticuralgicae. Bei Beteiligung der Lungen Ruhe, Behandlung wie bei Lungenbeschädiugnen durch Phosgen (Ziff. 37 u. f.).

 

Nach Berührung mit dem festen oder flüssigen Kampfstoff zur Vermeidung von Haut-schäden sofort Abwaschen mit Losantinaufschwemmung oder gründliche Seifenwa-schung. Liegen bereits Hautschädigungen vor, dann sterile Eröffnung der größeren Blasen wie bei Lostblasen (Ziff. 111), hierauf Salbenbehandlung, besonders mit Le-bertransalbe.

  Bei Augenschädigungen Behandlung wie unter Ziff. 118.
 

Bei asthamtischen Beschwerden (vorwiegend durch Adamsit) auch Atropin, gegebe-nenfalls als Einspritzung.

A. KampfstoffeII. Lungenschädigende Kampfstoffe