A. KampfstoffeII. Brandmittel
Kampfstoffverletzungen
B. Sonstige schädliche Stoffe
I. Spreng- und Brandgase

a) Kohlenoxyd

1. Chemische Angaben.
134.

Entsteht durch Verbennung von Kohlenstoff bei ungenügendem Zutritt von Sauer-stoff an Stelle der sonst gebildeten Kohlensäure.

  C + O2 = CO2 (Kohlensäure, Kohlendioxyd)
  2C + O2 = 2 CO (Kohlenoxyd)
 

Farb-, geruch- und reizloses Gas von erheblicher Giftigkeit, etwa leichter als Luft.

 

Vorkommen: Als Detonationsgas bei Detonationen von Geschossen, Minen, Bomben, Torpedos und dergl., als Verbrennungsgas der Treibmunition während der Feuertä-tigkeit, besonders in Befestigungen und an Bord, als Deflagrationsgas bei Munitions-bränden, als Brandgas bei unzweckmäßiger Heizung geschlossener und schlecht ge-lüfteter Räume, als Bestandteil des Leuchtgases und des Holzgases (Generatorgas), als Abgas ("Auspuffgas") von Motoren. Vergiftungsgefahr daher in geschlossenen Kraftwagen, Panzerfahrzeugen und Unterstellräumen, wenn nicht für genügenden Abzug der Aus-puffgase gesorgt ist; Vergiftungsmöglichkeit an Bord auch bei Be-schädigung der Schornsteinführung.

 

Schutz: Der Filtereinsatz der Gasmaske schützt nicht gegen Kohlenoxyd. Der als Sonderausstattung vorgesehene Kohlenoxydfiltereinsatz schützt in genügendem Umfang. Der beste Schutz bei sehr hohen Anreicherungen der Luft in Unterständen, Befestigungen, an Bord usw. ist das Sauerstoffschutzgerät (Heeres- bzw. Flotten-atmer; vergl. H.Dv. 395/8 bzw. M.Dv.Nr. 538/4, L.Dv. 95/8 oder HSS-Gerät, H.Dv. 395/7, M.Dv.Nr. 538/4, L.Dv. 95/7).

 

Erkennung: Durch das Kohlenoxydprüfpapier. Dies ist ein mit Palladiumchlorür ge-tränktes Papier, das sich bei geringen Mengen von Kohlenoxyd in der Luft grau bis schwarz verfärbt. Weiterhin durch den Kohlenoxydanzeiger (vergl. D 1110/14).

2. Wirkung.
135.

Das Wesen der Kohlenoxydvergiftung besteht in einer Blutveränderung: Der Sauer-stoff wird aus seiner Verbindung mit dem Blutfarbstoff durch das Kohlenoxyd ver-drängt. Die Anziehungskraft des Hämoglobins für das Kohlenoxyd ist etwa 300 mal stärker als die für Sauerstoff. An die Stelle des Oxyhämoglobins tritt das Kohlen-oxydhämoglobin. Dadurch ist die Sauerstoffübermittlung an die Gewebe und Organe des Körpers unterbunden. Die roten Blutkörperchen selbst werden nicht verändert. Der Tod tritt ein, sobald etwa drei Viertel des gesamten Hämoglobins in Kohlenoxyd-hämoglobin umgewandelt sind. Dies ist nach etwa 10 – 20 Minuten der Fall, wenn der Kohlenoxydgehalt der Luft bei gewöhnlichem Sauerstoffgehalt annähernd 0,4% beträgt. Andererseits kann etwa ein Füntel des Oxyhämoglobins in Kohlenoxydhämo-globin umgewandelt werden, ehe Vergiftungserscheinungen bemerkbar werden. Das entspricht etwa 0,03% Kohlenoxyd in der Atemluft (Erträglichkeitsgrenze des CO).

 

Bei vermindertem Luftdruck liegt die Erträglichkeitsgrenze bei geringerem Kohlen-oxydgehalt der Luft. So kann beim Höhenflug ein Kohlenoxydgehalt von 0,01 Vol.-Prozent und weniger noch Störungen hervorrufen.

 

Die Ausscheidung des Kohlenoxyds aus dem Körper erfolgt sehr langsam in umge-kehrter Weise wie die Aufnahme, also bei Verminderung oder Aufhebung des Kohlen-oxydgehaltes der Luft. Je höher dabei der Sauerstoffgehalt der Einatmugsluft ist, im so rascher sinkt der Kohlenoxydgehalt des Blutes ab.

3. Vergiftungsbild.
136.

Bei Kohlenoxydvergiftung treten zuerst Erscheinungen von seiten des Zentralner-vensystems hervor: Kopfschmerz, Schwindel, Willenlosigkeit, Verwirrung, Erbrechen, Angstzustände, Schwäche. Bei starker Vergiftung kann es unmittelbar zu Bewußtlo-sigkeit, zum Zusammenbrechen und zu Krämpfen kommen. Die Atmung wird unregel-mäßig und stockend. Tod durch Atemstillstand bei noch schlagendem Herzen.

 

Bei leichten Kohlenoxydvergiftungen sind rauchartige Zustände mit Verwirrtheit (Dis-ziplinlosigkeit !) nicht selten.

 

Der weitere Verlauf ist sehr wechselvoll und vielseitig. Häufig schließen sich Erkran-kungen der Atemwege und Lungen (Pneumonien) an, ebenso solche des Nervensys-tems, Nervenlähmungen, motorische und sensible Störungen, psychische Defekte. Am Herzen kann es zu Geäßschädigungen und zu örtlichen Degenrationserscheinun-gen im Muskel kommen. Die Erscheinungen gehen nach kürzerer oder längerer Zeit zurück oder verdichten sich zu Dauerstörungen und schweren chronischen Nach-krankheiten.

4. Erkennung der Vergiftung.
137.

Die Erkennung ist meist nicht schwer, wenn man überhaupt an die Möglichkeit einer Kohlenoxydvergiftung denkt und die Begleitumstände, die Art der Vergiftungser-scheinungen, das Fehlen von Blausucht trotz ungenügender Atmung beachtet. In vielen Fällen kann die Erkennung durch den Nachweis von Kohlenoxyd im Blut gesi-chert werden. Reduktionsprobe: Verdünntes Kohlenoxydblut (1 : 100 mit Wasser) läßt sich mit starken Reduktionsmitteln, z.B. Natriumhydrosulfit, nicht reduzieren, es bleibt kirschrot Normalblut (1 : 100 verdünnt) wird durch Reduktion violett. Im Ge-gensatz zum Normalblut (Oxyhämoglobin) rücken die beiden schwarzen Banden im Spektrum bei Zusatz des Reduktionsmittels zu Kohlenoxydblut nicht zu einem breiten Streifen zusammen (Betrachtung im Handspektroskop).

  Eine einfache Probe:
  Kohlenoxydvergifteter: 1 Tropfen Blut in 50 ccm Wasser bleibt rot.
  Gesunder: 1 Tropfen Blut in 50 ccm Wasser wird gelblich.
 

(Bei Anstellung dieser Probe immer Vergleichsprobe mit dem Blut eines Gesunden durchführen !)

5. Behandlung.
138.

Vor allem schleunigste Entfernung des Vergifteten aus dem Gasbereich, Verbringen ins Freie oder in gut gelüftete Räume. Rettungsmannschaft geht stets mindestens zu zweien mit angelegtem Heeres-(Flotten-)Atmer.

139.

Sauerstoffzufuhr ist die wichtigste Behandlungmaßnahme (Sauerstoff-Behandlungs-gerät).

 

Bei Atemstillstand oder ungenügender Atmung ist gleichtzeitig künstliche Atmung vorzunehmen und auch nach scheinbarem Erlöschen des Lebens fortzusetzen (bis zu mehreren Stunden), bis sichere Todesanzeichen festgestellt werden.

 

Zur Anregung des Atemzentrums sind frühzeitig und schon vor Beginn der künstli-chen Atmung Wiederbelebungsmittel zu geben: intramuskular oder intravenös Car-diazol (1 – 2 ccm = 0,1 – 0,2) oder Cormed (1,5 bis 3,0 ccm der 25%igen Lösung) oder Lobelin (0,01 subkutan oder 0,003 intravenös). Die intravenöse Einspritzung kann nach Bedarf 2 – 3 mal innerhalb einer Stunde wiederholt werden.

  Bekämpfung der Herzschwäche, Strophanthin intravenös.
140.

Weiterhin symptomatische Behandlung. Die Kohlenoxydvergiftung läßt sich nach ihrem Verlauf nicht übersehen. Sie ist daher auch nach Beseitigung der unmittelba-ren Erstickungsgefahr als ein bedrohlicher Zustand anzusehen, bei dem mit Nach-krankheiten und Spätfolgen zu rechnen ist.

b) Nitrose Gase.

1. Chemische Angaben.

141.

Die nitrosen Gase sind ein Gasgemisch wechselnder Zusammensetzung aus Stick-oxyd (NO), Stickdioxyd (NO2), Sticktetraoxyd (N2O4), Stickperoxyd (N2O5) und schließlich bei entsprechender Luftfeuchtigkeit mit Nebeltröpfchen, die salpetrige (HNO2) und Salpetersäure (HNO3) enthalten.

 

Stickoxyd wird vom Sauerstoff der Luft rasch, aber nicht momentan zu Stickoxyd oxydiert.

 

Vorkommen: Die nitrosen Gase kommen in geringen Mengen in den Explosions- und Sprenggasen, in größeren Mengen in den Verbrennungsgasen der Treibmunition vor. Eine besondere Gefährdung durch nitrose Gase besteht in Befestigungen und an Bord beim Abbrennen (Auskochen) von Treibmunition. Da hierbei auch immer Kohlen-oxyd gebildet wird, handelt es sich fast durchweg um Mischvergiftungen.

 

Auch bei Bränden von Filmmaterial aus Nitrozellulose entstehen in großen Mengen nitrose Gase.

 

Erkennung: Stickoxyd (NO) ist farblos, Stickoxyd (NO2) bräunlich. Unter praktischen Bedingungen sind die nitrosen Gase infolge ihres Gehaltes an Stickoxyd fast immer an der bräunlichen Färbung zu erkennen (wie die Dämpfe über räuchender Salpeter-säure). Angefeuchtetes Jodkaliumstärkepapier wird durch Stickoxyd blau verfärbt. Nitrose Gase haben einen eigenartig süßlich scharfen Geruch.

2. Wirkung.

142.

Die Art der Wirkung der nitrosen Gase hängt weitgehend von dem Anteil des Stick-oxyds und des Stickdioxyds im Gasgemisch ab.

  a)

Stickoxyd wirkt in erster Linie resorptiv, und zwar auf das Zentralnervensys-tem.

  b)

Stickdioxyd verursacht nach mehr oder weniger langer Latenzzeit toxisches Lungenödem, es entspricht weitgehend dem Phosgen.

3. Vergiftungsbild.

143. a)

Wiegt Stickoxyd in den nitrosen Gasen vor, so fehlen Reizerscheinungen an den Schleimhäuten der Augen und oberen Luftwege. Es kommt mehr oder weniger rasch zu Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindel, Übelkeit, Rauschzustän-den, Bewußtlosigkeit bei zunehmender Atemnot. Wird der Vergiftete rechtzeitig aus dem Giftbereich entfernt, so erholt er sich meist in kurzer Zeit, andernfalls tritt rasch der Tod ein. Kein Lungenödem.

  b)

Häufig ist der Verlauf durch vorwiegenden Stickdioxydgehalt der nitrosen Gase gekennzeichnet: während der Einwirkung geringe Reizerscheinungen an Augen und oberen Luftwegen (Hustenreiz). Dann mehrstündige beschwerdefreie Zeit (Latenzzeit); nach einigen Stunden Ausbildung des toxischen Lungenödems, Atemnot und Blausucht. Nach hohen Dosen Tod nach 1 – 2 Tagen. Bei hohem Nitrose (NO2) Gehalt der Luft ist die Latenzzeit verkürzt, rasch Beginn des Lun-genödems, Tod nach Minuten oder wenigen Stunden.

   

Die Giftigkeit der nitrosen Gase mit hohem Stickdioxydgehalt ist wesentlich ge-ringer als die von Phosgen.

  c)

Am häufigsten ist der kombinierte Typus aus a und b: sofortige Störungen von seiten des Zentralnervensystems, Benommenheit, Schwindel usw. Nach Entfer-nung aus dem Giftgasbereich scheinbare Erholung, nach mehrstündiger Latenz-zeit Lungenödem, schließlich Tod.

   

Bei hohem Gehalt der Luft wird auch Methan o-globinbildung im Blut beobach-tet.

  d)

Durch Einwirkung höchsten Nitrosegehalt der Luft kann es fast augenblicklich zu Erstickungserscheinungen, Krämpfen und Atemstillstand kommen (Schockty-pus).

4. Behandlung.

144.

Wie bei Phosgenvergiftung (Ziff. 37 – 64). Im Vordergrund steht die Sauerstoffbe-handlung und die Verabreichung von Herzmitteln.

 

Künstliche Atmung ist – solange nicht Atemstillstand eintritt – zu unterlassen.

A. KampfstoffeII. Brandmittel