IV. Haut- und schleimhautschädigende KampfstoffeB. Sonstige schädliche Stoffe
Kampfstoffverletzungen
A. Kampfstoffe
IV. Haut- und schleimhautschädigende Kampfstoffe

b) Trichlortriäthylamin (Stickstofflost).

1. Chemische Angaben.

121.

In einem Zustand farbloses, in technischem Zustand gelblich-bräunliches Öl, in dem oft Kristalle abgeschieden sind. Rein wenige haltbar als technisch.

 

In Wasser sehr schwer löslich, leicht löslich in tierischen und pflanzlichen Fetten und in organischen Lösungsmitteln wie Alkohol, Äther, Aceton, Chloroform, Tetra-chlorkohlenstoff, Benzin, Petroleum, Benzol.

 

Durch viele Säuren wird das Amin unter Salzbildung gelöst, mit verdünnter Salzsäure bildet sich z.B. das leicht wasserlösliche Chlorhydrat, HCl.N (CH2.CH2Cl)3.

 

Zersetzung des Amins oder des Chlorhydrats durch Wasser (Hydrolyse) tritt sehr langsam ein.

 

Oxydierende Substanzen wie Chlorkalk, Losantin, Wasserstoffsuperoxyd u. dergl. wirken auf das Amin praktisch nicht ein, jedoch ist es durch Kalium-Permanganat in essigsaurer Lösung zu entgiften.

 

Trichlortriäthylamin ist wesentlich weniger flüchtig als Lost, bei 20° beträgt die Flüchtigkeit etwa nur den zehnten Teil. Die Durchdringung von Tuch und Leder ist langsamer als bei Lost, auch die Eindringung in die Haut ist wesentlich langsamer.

2. Wirkung.

122.

Die Art und Latenz der Wirkung von Trichlortriäthylamin entspricht etwa derjenigen von Lost, es bestehen aber im einzelnen erhebliche quantitative Unterschiede. Bei gleicher einwirkender Kampfstoffmenge ist die Stärke der Schädigungen an Haut und Augen deutlich geringer an den Atmungsorganen etwa gleich, die resorptive Wirkung ist etwa stärker als bei Lost. Das Chlorhydrat ist annähernd von gleicher Wirkung wie das Amin.

 

Bei etwaiger Anwendung des Amins als Geländekampfstoff ist die Gefährdung druch den vom Gelände verdampfenden Kampfstoff wegen seiner geringeren Flüchtigkeit wesentlich geringer als bei Lost. Infolge seines schwachen Geruchs wird aber die Feststellung, ob Kampfstoffeinsatz vorliegt oder nicht, erschwert.

3. Vergiftungsbild.

123.

An der Haut wird oftmals eine mehr livide Verfärbung gegenüber der helleren Rötung bei Lost beobachtet, sonst ist das Vergiftungsbild meist wie bei Lost. Am Auge kommt es zu Entzündungserscheinungen und Chemosis, jedoch tritt Hornhauttrü-bung weniger häufig auf als bei Lost. An den Atmungsorganen unterscheidet sich das Vergiftungsbild nicht wesentlich von dem durch Lost.

4. Behandlung.

124.

Hautentgiftung. Infolge seiner geringeren Eindringungsgeschwindigkeit in die Haut kann der Kampfstoff leichter mechanisch entfernt werden als Lost.

 

Besonders zweckmäßig ist trockenes Abtupfen der mit dem Kampfstoff verunreinig-ten Haut und anschließend gründliche Säuberung mit Schmierseife oder MS-Seife (1 : 3) oder mit hautschonenden Reinigungsmitteln (Satina oder Praecutan).

 

Hautentgiftung von Stickstofflost ist auch durch eine Lösung von 5% Kaliumperman-ganat in 5%iger Essigsäure zu erreichen.

 

Auch wiederholtes Abspülen mit organischen Lösungsmitteln (Benzin, Tetrachlorkoh-lenstoff, Spiritus) führt zu gutem Erfolg, sofern rechtzeitig angewandt.

 

Falls diese Mittel nicht vorhanden sind, kann Waffenentgiftungsmittel nach vorheri-gem trockenen Abtupfen der Haut angewandt werden. Nach fünf Minuten Einwir-kungszeit ist das Waffenentgiftungsmittel sorgfältig wieder zu entfernen. Die Losan-tin und Chloramin enthaltenden Hautentgiftungsmittel haben keine chemisch entgif-tende Wirkung, jedoch kommt ihnen bei Breientgiftung eine geringe adsorptive Wir-kung auf den Kampfstoff zu. Der Entgiftungsstoff 40, der chemisch gegenüber Stickstofflost gut wirksam ist, ist nur für Geländeentgiftung vorgesehen.

 

Bei Vergiftung der Bekleidung ist in gleicher Weise zu verfahren wie bei Lost (vergl. Ziff. 108 und 109); das gleiche gilt für die Behandlung bereits eingetretener Schädi-gungen der Haut. An den Augen erste Hilfe durch Spülung mit 3%igem Borwasser oder notfalls mit reinem Wasser, Behandlung wie bei Lost. Behandlung der Einat-mungsschäden ebenfalls wie bei Lost.

c) Lewisit.

1. Chemische Angaben.

125.

Die Lewisite I und II sind in reinem Zustand farblos, in technischem Zustand dunkel-gefärbte Flüssigkeiten. In Wasser sind die Lewisite nur wenig löslich, dagegen leicht in den meisten organischen Lösungsmitteln. Durch Wasser erfolgt Zersetzung nach dem Schema

 

 

Besonders rasch werden die Stoffe durch Sodalösung hydrolysiert. Technischer Le-wisit besteht in der Hauptsache aus Lewisit I und II sowie geringen Mengen von Le-wisit III.

2. Wirkung.

126.

Ähnlich wie Lost bewirkt Lewisit auf Haut und Schleimhäuten Entzündung mit nach-folgender Nekrose, dazu die allgemeine Arsengiftwirkung (wird leichter als Lost durch die Haut resorbiert).

 

Die Wirkung der Lewisite ist an das dreiwertige Arsen gebunden. Durch Oxydation zum fünfwertigen Arsen wird die Wirkung weitgehend herabgesetzt. Bei der Zerset-zung durch Wasser entstehen im Gegensatz zu Lost weiterhin giftige Arsenverbin-dungen.

 

Lewisit II hat wegen seiner geringen Wirkung keine praktische Bedeutung als Kampf-stoff.

3. Vergiftungsbild.

127.

Beim Auftreffen von flüssigem Lewisit I oder Lewisit II auf die Haut treten Jucken und Brennen meist bereits nach wenigen Minuten auf. Auch zur Blasenbildung und Schwellung kommt es meistens rascher als bei Lost. Die Abheilung der Hautschädi-gungen verläuft bei diesen Kampfstoffen jedoch günstiger und rascher als bei Lost. Bei Einatmung kräftige Reizwirkung auf Nase und Rachen, meist auch Augenreiz; Giftwirkung deutlich geringer als bei Lost. Resorptiv Blutschädigungen ähnlich wie bei Lost (vergl. Ziff. 98). Auch Leber- und Nierenschädigungen sind beobachtet.

4. Behandlung.

128.

Zur Hautentgiftung sind oxydierend wirkende oder alkalische Mittel geeignet, also Hautentgiftungssalbe oder Losantintabletten, Seifen oder hautschonende Reini-gungsmittel. Vor ihrer Anwendung ist die benetzte Hautstelle trocken abzutupfen. Auch hier kommt es auf baldigste Durchführung dieser Entgiftungsmaßnahmen an.

 

Zusatz von Chloramin zu Seife oder den hautschonenden Reinigungsmitteln erhöht ihre Wirksamkeit, vergl. Ziff. 105.

 

Am Auge, bei Einatmung und an der Haut bei bereits aufgetretenen Schädigungen Behandlungsgrundsätze wie bei Lost (vergl. Ziff. 110 – 120).

d) Nesselstoffe (Phosgenoxim).

129.

Unter Nesselstoffen versteht man chemische Substanzen, die bei Berührung mit der Haut schnellauftretende, heftige Reizerscheinungen nach Art der Brennesselwirkung hervorrufen. Ein Vertreter dieser Stoffklasse ist Phosgenoxim

 

1. Chemische Angaben.

130.

In reinem Zustand weiße Kristalle vom Schmelzpunkt 39°, in technischem Zustand flüssig; Siedepunkt der reinen Substanz bei 129°. Unangenehmer, stechender Ge-ruch. Phosgenoxim ist in Wasser und organischen Lösungsmittel leicht löslich. Durch Alkalein erfolgt rasch Zersetzung, durch Wasser langsam Hydrolyse.

2. Wirkung.

131.

Phosgenoxim reizt Haut und Schleimhäute und besitzt bei Aufnahme durch die Haut auch resorptive Wirkung. Bekleidung wird rasch durchdrungen. Unbeschädigte Gas-planen halten Phosgenoxim zurück, das Filter der Gasmaske schützt.

3. Vergiftungsbild.

132.

Beim Auftreffen der Substanz auf die Haut sofort heftigstes Brennen, Rötung und Quaddelbildung. Der Schmerz läßt einige Minuten später erheblich nach. An der be-troffenen Stelle oberflächliche Nekrose; Abheilung wesentlich rascher als bei Lost-schäden. An den Augen je nach eingedrungener Stoffmenge mehr oder weniger starke Entzündungserscheinungen. Bei Einatmung heftiger Nasenreit, entzündliche Veränderungen an den Schleimhäuten der Atemwege. Einwirkung von Phosgenoxim kann auch zu Lungenödem führen (Latenzzeit).

4. Behandlung.

133.

Sofortige Waschung mit verdünntem Ammoniakwasser (etwa 5%ig) kann eine Schä-digung der Haut fast völlig verhindern, aber schon eine Minute nach Auftreffen des Stoffes auf die Haut bleibt die Waschung erfolglos (Behandlung bereits eingetrete-ner Hautschädigungen ähnlich wie bei Lost, zur Linderung der Schmerzen Anaesthe-sinsalbe).

 

Am Auge erste Hilfe durch sofortiges gründliches Spülen mit reinem Wasser, am bes-ten – wenn sofort anwendungsbereit – mit 3%iger Natriumbicarbonatlösung: Alkali-sche Augensalbe. Baldigst Einlegen einer Kokain-Augenkomprette, weiterhin am Auge und auch bei Einatmungs- und sonstigen Schaden den Krankheitserscheinun-gen entsprechende Maßnahmen (vergl. Ziff. 37 bis 64 und 110 – 120).

 

Mit Phosgenoxim benetzte Kleidungsstücke sind so rasch wie möglich abzulegen; vergl. Ziff 108.

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